GOSSIPS  
  Unter diesem Namen erschien in den letzten Jahren neben einer Radiosendung auch in schöner Unregelmäßigkeit ein Fanzine, das sich zum Ziel gemacht hatte, lokale und überregionale szenerelevante Themen kritisch und schwarzhumorreich zu beleuchten und dabei die quartalsweise Inhaltswiederholung bekannter Szenemagazine zu meiden.  
  Das die Arbeit aus idealistischen Beweggründen zumeist nur von Idealisten anerkannt wird, führte dazu, daß wir auf unseren Heften sitzen blieben (einen kleinen Kreis echter Fans ausgenommen). Es war schließlich kein Hochglanzmagazin mit CD-Beilage, hatte nicht die Namen bekannter Bands und Klischeepatentinhaber auf dem Cover und enthielt vor allem verdammt viel Text, was so gar nicht zur heutigen Art und Weise der Informationskonsumierung paßt.  
  Außerdem haben wir dafür Geld verlangt. Ein Umstand, der uns in die Reihe derer stellt, die mit ihrer Profitgier den Underground ausbluten. Es gibt tatsächlich Pappkameraden, die glauben bei einen Preis von 2-3DM und einer Auflage unter 300 Exemplaren kann man sich eine goldene Nase finanzieren (in Wirklichkeit nicht einmal die Herstellungskosten). Die Finanzierung über Werbung fiel aus, weil wir den prozentualen Anteil der Seiten mit Informationsgehalt nicht auf 60-70% zurückdrängen wollten, wie sich das bei selbst ernannten Zentralorganen eingebürgert hat. Kostenlose Abgabe hätte dazu geführt, daß das Heft zwar genommen aber deshalb noch lange nicht gelesen wird. Aber halt! Es gibt ja das Internet. Hier kann man ohne mühselige Verkaufsgespräche veröffentlichen, was einst dafür vorgesehen war.  
 

Deshalb werden in der nächsten Zeit an dieser Stelle einige Auszüge aus den letzten 5 Jahre erscheinen, denen nach Lust und Laune aktuelle Rezensionen, Artikel und Comics folgen sollen.

 

    Der folgende Artikel erschien in der Ausgabe 7 Frühjahr/Sommer 1998:  
    Eine Ouvertüre an den Tod  
    Im Februar 1936 ermittelte die Budapester Polizei im Fall des Selbstmordes eines ansässigen Schuhmachers, Joseph Keller. Die Untersuchungen ergaben, daß Keller einen Abschiedsbrief hinterlassen hatte, in dem er den Text eines recht populären Liedes zitierte. Bei dem Lied handelte es sich um "Gloomy Sunday". Der Fakt, daß ein Mensch den Text gerade dieses Liedes zum Zitieren auswählte, mag nicht sehr seltsam erscheinen. Wie auch immer der Fakt, daß über Jahre dieses Lied in direkten Zusammenhang mit dem Freitod von über 100 Menschen gebracht wurde, ist seltsam genug.  
   

Dem anfangs beschriebenen Joseph Keller folgend, nahmen sich siebzehn weitere Menschen in Budapest das Leben. In jedem Falle war "Gloomy Sunday" eng mit den Umständen der Selbstmorde verbunden: Zwei von den erwähnten Opfern erschossen sich, während sie einer Zigeunerband zuhörten, die das Lied spielte. Ein anderer wählten den Freitod in der Blauen Donau, das Notenblatt zu "Gloomy Sunday" noch in den Händen gekrallt.

 
    Ein feiner Herr, wird berichtet, lief aus einem Nachtclub auf die Straße und blies sich das Gehirn weg, nachdem er sich von der Band, die im Club spielte, das "Selbstmordlied" gewünscht hatte. Der negative Effekt "Gloomy Sundays" offenbarte sich so stark, daß die Budapester Polizei glaubte, es wäre das beste, das Lied zu verbieten.  
   

Wie auch immer, die Unterdrückung des Liedes "Gloomy Sunday" war nicht nur in Budapest der Fall, blieben doch seine Effekte nicht auf Budapest beschränkt: In Berlin erhängte sich eine junge Ladenbesitzerin, zu ihren Füßen lag ein Exemplar von "Gloomy Sunday". in New York vergaste sich eine junge hübsche Sekretärin, sie hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem sie sich wünschte, "Gloomy Sunday" sollte zu ihrem Begräbnis gespielt werden.

 
   

Viele Menschen behaupten, daß zerbrochene Romanzen die wahren Gründe für diese Selbstmorde sind. Darüber läßt sich streiten: Zum Beispiel sprang ein Mann aus dem Fenster seiner Wohnung im 7. Geschoß in den Tod, während die wehmütigen Töne von "Gloomy Sunday" aus der Wohnung klangen; der Mann war über 80 Jahre alt! Im Gegensatz dazu ertränkte sich ein 14jähriges Mädchen, das ein Notenblatt des schaurigen Liedes in den Händen gekrallt hielt.

 
   

Der vielleicht seltsamste Fall war der eines Laufburschen in Rom, der - nachdem er einen Bettler das Lied summen hörte - sein Fahrrad parkte, zu dem Bettler lief, ihm all sein Geld gab und sich von einer nahegelegenen Brücke in den nassen Tod stürzte.

 
   

Als die Todeszahlen stiegen, glaubte die BBC (Britisch Broadcasting Company), es wäre notwendig, das Lied zu verbieten. In den Vereinigten Staaten zögerte das US Network auch nicht lange und verbannte das Lied von allen Kanälen. Ein französischer Radiosender beauftragte sogar Psychologie-Experten, die Effekte von "Gloomy Sunday" zu erforschen, was sich aber nicht auf die stetig steigende Zahl der Opfer niederschlug.

 
   

Der Komponist Rezso Seres, der 1933 "Gloomy Sunday" schrieb, war genauso verwirrt und verblüfft wie der Rest der Welt. Obwohl er das Lied nach dem Auseinanderbrechen einer eigenen Romanze schrieb, hätte er nie im Traum an die Folgen gedacht, die das Lied mit sich brachte. Wie auch immer, das Schicksal packte auch ihn, nicht einmal Seres blieb von den Effekten des Lieds verschont.

 
   

Anfangs war es für Rezso Seres eine schwere Zeit, jemanden zu finden, der das Lied veröffentlichte. Ziemlich offensichtlich wollte niemand etwas damit zu tun haben. Die Erklärung eines Plattenbosses spricht Bände: "Es liegt nicht daran, daß das Lied traurig ist. Es ist eine Art schrecklich niederdrückende Verzweiflung, die von dem Lied ausgeht. Ich glaube nicht, daß es irgend jemanden gut täte, ein Lied wie dieses zu hören."

 
   

Die Zeit verging und Seres hatte es geschafftt, sein Lied zu veröffentlichen. Innerhalb einer Woche avancierte "Gloomy Sunday" zum Bestseller. Seres kontaktierte seine ehemalige Geliebte mit Plänen einer Wiedervereinigung; am Tag darauf nahm sich das Mädchen mittels Gift das Leben. Neben ihrer Leiche fand man einen Zettel mit den zwei Wörtern: Gloomy Sunday.

 
   

Wenn er gefragt wurde, was er dachte und fühlte, als er das Lied schrieb, antwortete Seres:

"Ich stehe inmitten des tödlichen Erfolges als ein angeklagter Mann. Dieser fatale Ruhm verletzt mich. Ich schrie die ganze Enttäuschung meines Herzens in dieses Lied, und es scheint, daß andere Menschen mit Gefühlen wie den meinigen ihre eigene Verletzung darin gefunden haben."

 
   

Als die Monate vergingen und die ganze Begeisterung abgestorben war, stimmte die BBC der Sendung von "Gloomy Sunday" zu, aber nur als Instrumentalstück. Diese Version wurde später als Schallplatte veröffentlicht. Ein Londoner Polizist hörte dieses teilweise Arrangement schier endlos wiederholt aus einem nahegelegenen Apartment tönen. Er entschied, daß dies eine Untersuchung wert sei. Nachdem das Apartment aufgebrochen wurde, fand man einen automatischen Plattenspieler, der das Lied immer wieder abspielte, daneben lag eine Frau, die an einer Überdosis Barbituraten gestorben war. Dieser Vorfall veranlaßte die BBC, dem Lied den Bann wieder aufzuerlegen. Bis zum heutigen Tage ist der BBC-Bann über "Gloomy Sunday" nicht aufgehoben worden.

 
   

Im Jahre 1936 kam "Gloomy Sunday" auf den US-Markt. Es war nicht einfach, das Lied aufzunehmen: Bob Allenand und Mitglieder der Hal Kemp Band waren die ersten, die "Gloomy Sunday" in den Vereinigten Staaten einspielten. Sie waren nachweislich gerührt, als sie die Aufnahmen zu diesem Lied machten, schließlich bedurfte es 21 Versuche, bis sie eine Aufnahme hatten, die für eine Veröffentlichung gut genug war. Nur wenige Menschen, die diese Aufnahme von "Gloomy Sunday" hörten, gestanden nicht ein, daß die Melodie und der Text einen schrecklich niederschmetternden Effekt haben.

 

 

  Zum Schluß dieses kleinen Ausflugs in die Geschichte eines bemerkenswerten Lieds ist es sicherlich nicht überraschend zu erwähnen, daß Rezso Seres, der Komponist von "Gloomy Sunday", im Jahre 1968 Selbstmord beging.  
  Gloomy Sunday  
 

Sunday is gloomy

My hours are slumberless,

Dearest the shadows

I live with are numerless.

Little white flowers will

never awaken you.

Not where the black coach

of sorrow has taken you.

Angels have thougt of

ever returning you.

Would they be angry

if I thought of joining you?

Sunday is gloomy,

With shadows I spend it all.

My heart and I have

decided to end it all.

Soon thereŽll be flowers

and prayers that are said,

I know, let them not weep,

let them know

that IŽm glad to go...

Death is no dream,

for in death IŽm caressing you.

With the last breath of my soul

IŽll be blessing you...

Gloomy Sunday

Dreaming

I was only dreaming

I wake and I find you

asleep in the deep of my heart dear

Darling I hope that my dream

never haunted you.

My heart is telling you

how much I wanted you.

Gloomy Sunday

 
     
  Schaurig schön dieses Lied. Das haben sich zumindest auch Christian Death im Jahre 1986 (damals noch mit Sängerin Gitane Demone) sowie selbige nach 1988 auf Solopfaden und ebenfalls Düster-Performance-Ikone Diamanda Galas 1989 gedacht, in dem sie alle den Entschluß fassten, das makabre Stück zu interpretieren.